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Im Gespräch mit Zeitzeuge Hans-Gerd Adler

Die DDR – ein Begriff, der für meine Klassenkameraden und mich schon immer präsent war, jedoch trotzdem irgendwie fern. Immerhin liegt zwischen unseren Geburten und der Wiedervereinigung mehr als ein Jahrzehnt. Wenn man nicht darüber nachdenkt, könnte man als Jugendlicher denken, dass Deutschland, so wie es ist, schon Bestand hatte. Dass natürlich das Gegenteil der Fall ist, konnte uns durch das Zeitzeugengespräch mit Hans-Gerd Adler wieder ins Gedächtnis gerufen werden.

Dass uns Herr Adler eine Menge zu erzählen hatte, war natürlich schon im Vorhinein klar. Doch obwohl sich so Mancher sicher mehr über den Ausfall des Seminarfacharbeitsunterrichts gefreut hat, hörte jeder gebannt zu. Immerhin hat man nicht alle Tage die Möglichkeit einem so qualifizierten Zeitzeugen zuhören zu dürfen. Hans-Gerd Adler stand in der ersten Reihe derer, die vor 30 Jahren die friedliche Revolution im Eichsfeld angeführt haben. Wie wir im Gespräch erfuhren, organisierte Adler kurz vor der Wende nicht nur Friedensgebete, Demonstrationen und Menschenketten, sondern trieb noch im Oktober 1989 die Liberalisierung als Vorsitzender der Demokratischen Initiative in Heiligenstadt voran. In unserem Gespräch ging es vor allem um die Organisation der Proteste in Heiligenstadt aus der Sicht unseres Gasts. Beispielsweise erfuhren wir, wie Adler zu seiner Rolle als Initiator kam und unter welchen Widerständen und Ängsten er und die vielen Tausend Mitdemonstranten sich nicht vom Weg haben abbringen lassen.

Doch auch die kleinen Anekdoten, die Geschichte so lebhaft und nah scheinen lässt, hatten Platz in den Ausführungen Adlers. So erfuhren wir etwa, wie er sich im Rahmen einer Karnevalsveranstaltung in Arenshausen als Karl Marx verkleidete und somit den Unmut einiger linientreuer Grenzsoldaten auf sich zog, was schließlich in Schwierigkeiten für ihn und den Karnevalsverein endete. Hans-Gerd Adler hätte uns gern noch viel mehr von der ereignisreichen Wendezeit erzählen können, doch nach 45 Minuten war für uns Schluss – nicht aber für ihn, denn die nächste Klasse wartete schon. Der Rahmen einer einzigen Schulstunde reicht natürlich für ein so großes Thema nicht aus. Daher haben wir uns entschieden, Herrn Adler, übrigens Bundesverdienstkreuzträger, erneut zu einem Gespräch einzuladen. Nun stellt sich am Ende die Frage: wozu das alles? Sollte man nicht lieber die Vergangenheit ruhen lassen und in die Zukunft sehen? Meiner Meinung nach dürfen wir unsere Demokratie nicht als selbstverständlich ansehen, sondern müssen sie als Privileg verstehen. So ehren wir auch das Erbe von Menschen wie Hans-Gerd Adler. Um uns für die Zukunft zu rüsten, müssen wir Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Das dreißigjährige Jubiläum der friedlichen Revolution erinnert uns daran, dass man für Demokratie kämpfen, sie verteidigen und bewahren muss. In einem Zitat des Bundespräsidenten a.D Richard von Weizsäcker heißt es: „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“ Halten wir also die Geschichten unserer Mütter, Väter, Groß- und Urgroßeltern am Leben, um aus ihnen für das hier und jetzt unsere Lehren zu ziehen.

Kai Majer

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